Antrag: Agrarsektor in Niedersachsen stärken: für eine auskömmliche und zukunftsfähige Landwirtschaft in bäuerlicher Hand!

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen

Entschließung

In den letzten Wochen protestierten Bäuerinnen und Bauern für eine auskömmliche Landwirtschaft. Was als Antwort auf die ehemals geplanten überproportionalen Kürzungen bei den Agrarsubventionen begann, wurde zu einem allgemeinen Protest, welcher auf die Lage in der Landwirtschaft hinweist. Die Protestierenden, kleine und große, konventionelle und Bio-Betriebe, waren sich einig: die Streichung der Agrardieselrückerstattung war nur ein Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte.

Während die Streichung der KFZ-Steuerbefreiung mittlerweile zurückgenommen wurde, bleiben andere Probleme bestehen. So liegt in Deutschland eine hohe Marktkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel vor. Die Unternehmen drücken Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse teilweise unter die Produktionskosten. Dazu kommt ein gesellschaftlicher Wandel, der eine Transformation der Landwirtschaft zu mehr Tierwohl einfordert, ohne dass die Kosten dafür gedeckt sind. Die Notwendigkeit einer Pflanzenschutzmittelreduktion, um die Biodiversitätskrise nicht weiter zu verschärfen und fehlende Alternativen zu dieselbetriebenen Geräten erschweren zudem eine klimafreundliche und gleichzeitig auskömmliche Landwirtschaft. Diese Probleme sorgen in Summe dafür, dass immer mehr Höfe aufgeben müssen.

Für die Erfassung und Definition von entsprechenden Entscheidungsgrundlagen auf Bundesebene im Rahmen der EU-Richtlinie (2019/633) ist eine Preisbeobachtungsstelle einzurichten, die Richtwerte für kosten- und existenzsichernde Preise ermittelt.  Die Einhaltung der entsprechenden Regularien ist über eine auf Bundesebene einzurichtende Ombudsstelle sicherzustellen. Diese Ombudsstelle soll Verstöße gegen auferlegte Regularien und Handelspraktiken konsequent ahnden.

Der Landtag begrüßt,

1.     die bestehenden guten und ausgeprägten Kommunikationsstrukturen im Rahmen des Niedersächsischen Wegs und darüber hinaus,

2.     das Diversifizierungsprogramm in der Schweinehaltung,

3.     den gemeinsamen Appell der Landesregierung und beteiligter Landwirtschaftsverbände zur Erhöhung der Mineralölsteuer für Agrardiesel und zur erstmaligen Erhebung von KFZ-Steuern für landwirtschaftliche Fahrzeuge.

Der Landtag bittet die Landesregierung,

1.     einen Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz vorzulegen, welches landwirtschaftliche Böden vor Spekulationen schützt und preisdämpfend wirkt,

2.     den guten Dialog mit der Landwirtschaft weiterhin zu pflegen, um Empfehlungen aus der Praxis verstärkt einzubinden und daraus einen Fahrplan zu erarbeiten, wie die niedersächsische Landwirtschaft im Sinne des Niedersächsischen Weges kontinuierlich weiter unterstützt werden kann,

3.     in Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren zu prüfen, welche Maßnahmen zum Bürokratieabbau geeignet sind und diese entsprechend umzusetzen,

4.     zu prüfen, wie ein Hofnachfolge- und Existenzgründungsprogramm für Einsteigerinnen und Einsteiger in der Landwirtschaft und eine Förderung dieser ausgestaltet werden kann.

Darüber hinaus bittet der Landtag die Landesregierung sich gegenüber dem Bund dafür einzusetzen, dass

1.     die Forderung des Kompetenzzentrums Nutztierhaltung (Borchert-Kommission) einer verlässlichen Finanzierung des Transformationsprozesses umgesetzt wird. Eine Möglichkeit wäre hierzu der sogenannte „Tierwohlcent“,

2.     die weiteren Forderungen der Borchert-Kommission, sowie der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ebenfalls umgesetzt und mit entsprechenden finanziellen Mitteln hinterlegt werden,

3.     die erbrachten Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft entsprechend anerkannt werden,

4.     die EU-Richtlinie (2019/633) über unlautere Handelspraktiken konsequent umgesetzt wird und unlautere Handelspraktiken in der grauen Liste und der Verkauf von Lebensmitteln unterhalb der Produktionskosten von Erzeugerinnen und Erzeuger verboten werden,

5.     das Kartellrecht dahingehend weiterentwickelt wird, dass eine weitere wettbewerbsschädliche Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) verhindert und auf einen besseren Schutz von Erzeugerinnen, Erzeugern und Zuliefernden ausgerichtet wird,

6.     für mehr Fairness im globalen Wettbewerb ein starkes und verbindliches Lieferkettengesetz für Agrarprodukte umgesetzt, kontrolliert und Verstöße dagegen sanktioniert werden, und somit die Einhaltung vergleichbarer Standards für Klimaschutz, Artenvielfalt, Tierwohl und Soziales in internationalen Handelsverträgen sicherstellt wird,

7.     die Wettbewerbsregeln des Lebensmitteleinzelhandels verschärft werden und Mindestpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse festgelegt werden, die kosten- und existenzsichernd sind,

8.     eine Überarbeitung der in roten Gebieten auferlegten Maßnahmen hin zu einer stärkeren Berücksichtigung des Verursacherprinzips erfolgt,

9.     der Bund Maßnahmen zum Bürokratieabbau in der Landwirtschaft ergreift,

10.   die Verpflichtungsermächtigung für die GAK-Mittel angehoben wird,

11.   sich im Verwaltungsrat des Europäischen Patentamts weiterhin dafür eingesetzt wird, dass das Verbot für Patente auf Leben durchgesetzt wird,

12.   die Entwicklung klimafreundlicher Alternativen zu dieselbetriebenen Geräten gefördert werden und der Zeitraum für die Gewährung der Agrardieselrückvergütung verlängert wird,

13.   Regelungen geschaffen bzw. wiedereingeführt werden, die es ermöglichen über einen begrenzten Zeitraum gute Betriebsergebnisse mit schlechte Erntejahren steuerlich ausgeglichen werden können.

Begründung

Branchenfremde Investorinnen und Investoren kaufen zunehmend landwirtschaftliche Fläche auf und umgehen dabei sowohl das Grundstückverkehrsgesetz, welches die Flächen in landwirtschaftlicher Hand schützen soll, als auch Steuerzahlungen. Denn wer sich in ein bestehendes Agrarunternehmen einkauft, benötigt weder eine Genehmigung, noch fällt die Grunderwerbssteuer an. Ein Agrarstrukturgesetz kann sogenannte Share Deals unterbinden. Anteilskäufe bei Agrarbetrieben müssen ab einer gewissen Mindestgröße genehmigungspflichtig werden, damit zu große Betriebe und hohe Preise verhindert werden können.

Der Umbau von Landwirtschaft und Ernährung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wie vom Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung vorgeschlagen, muss es eine für die Landwirtschaft verlässliche Finanzierungsgrundlage geben, um so heimischen tierhaltenden Betrieben angesichts des internationalen Wettbewerbs bedarfsgerecht und dauerhaft langfristige Perspektiven zu bieten. Eine Möglichkeit hierzu wäre der Tierwohlcent.

Die Tierwohlcent kann zudem zusätzliche Einnahmen sichern, die der Landwirtschaft für den tierwohlgerechten Umbau zu Verfügung gestellt werden müssen. Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen dabei jedoch nicht überproportional belastet werden. Eine Machbarkeitsstudie des BMEL zeigt auf, dass der Tierwohlcent für die Verbraucherinnen und Verbraucher günstiger wäre, als die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes für tierische Produkte von den vergünstigten 7% auf 19%. Zudem hat der Tierwohlcent eine bessere Lenkungswirkung, als die Mehrwertsteuer, da Produkte mit höheren Standards meistens teurer sind und somit eine höhere Mehrwertsteuer anfallen würde. Der Tierwohlcent hingegen ist preisunabhängig.

Der Wegfall der Agrardieselrückvergütung hat keine positive Lenkungswirkung, sofern keine Alternativen zur Verfügung stehen. Um diese auszubauen müssen Anreize geschaffen werden. Weiterhin müssen junge Landwirt*innen gefördert werden, um Hofnachfolgen zu sichern und den Beruf auch weiterhin für junge Leute attraktiv zu gestalten. Um Landwirtinnen und Landwirten mit Förderungen tatsächlich zu helfen, muss der bürokratische Aufwand dahinter möglichst geringgehalten werden. Das Digitalisieren von Prozessen soll geprüft und weiter ausgebaut werden.

Zurück zum Pressearchiv